Zwischen den Türmen – ein Streifzug durch Moabit an der Turmstraße

Kein Palast mehr – die Turmstrasse ist ein Sanierungsgebiet
Kein Palast mehr – die Turmstrasse ist ein Sanierungsgebiet

Zwischen den Türmen – ein Streifzug durch Moabit an der Turmstraße

Moabit ist eine große Insel im Bezirk Mitte. Ihre Wasser-Grenzen sind die Spree im Süden, der Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal im Osten, der Westhafenkanal im Norden und der Charlottenburger Verbindungskanal im Westen. Die Turmstraße ist Moabits zentrale Einkaufsstraße.

„Die Turmstraße ist die braune Straße am Anfang von Monopoly“, sagt Christoph Ewert. Der Mann mit langen blonden Rasterlocken und Filzmantel steht am frühen Montagnachmittag an der Ecke Stromstraße zur Straße Alt-Moabit (24. Februar). In der Hand hält der etwa 35-Jährige eine Papiertüte mit einem durchfettenden Stück Gebäck. Die Sonne scheint bei frühlingshaften Temperaturen. Freunde von ihm müssten gleich eintreffen.

Christoph Ewert spricht von dem Brettspiel Monopoly. Die Turmstraße sei darin eine der billigsten Immobilien. In dem Spiel geht es um den Kauf und Verkauf von Immobilien. Er blickt auf die echte Turmstraße. Er schätzt, dass die Gentrifizierung seinen Lebensmittelpunkt Moabit in wenigen Jahren erreicht. Second-Hand-Bäckereien gäbe es schon nicht mehr. Das sind Bäckereien mit vergünstigten Waren vor Vortag. Derzeit werden die Parkflächen in der Straße neugestaltet. Durch das Fällen zahlreicher Bäume im Park am Ottoplatz an der Turmstraße sei ein Rückzugsort für obdachlose Menschen zerstört worden, so Christoph Ewert.

Neben Gefängnis und Gerichten
Im östlichen Teil der Turmstraße liegen das Berliner Kriminalgericht, Amtsgericht und Untersuchungsgefängnis und Gefängnis-Krankenhaus. Von den Moabiter Gefängnissen bekomme er wenig mit. Er sehe nur, dass täglich regelmäßig Justiz-Lastwagen mit abgedunkelten Glasscheiben Gefangene durch die Hauptverkehrsstraßen Turmstraße und Alt-Moabit transportieren.

Die Freunde treffen ein. Die fünf jungen Männer gehen zur Grünen Meile. Sie sei ein Treffpunkt vieler junger Menschen. Der schönste Flecken in Moabit, so Christoph Ewert.

Die Gruppe läuft an den Gastronomien für die vielen BeamtInnen in Moabit vorbei. Vorbei an einem Fitnessclub, hinter dessen Parterre-Fenster Menschen an Sportgeräten trainieren. Die Freunde laufen über das Gelände des Bundesinnenministeriums. Dessen Fassade spiegelt sich im blauen Himmel und langsam fließendem Wasser der Spree. Deutsche Persönlichkeiten wie Albert Einstein (1879-1955) sind an dem Weg vor dem Bundesinnenministerium ausgestellt. Ebenso sind drei große Stücke der einstigen Berliner Mauer ausgestellt.

Autos halten, als die Gruppe ohne Seitenblicke eine Straße überquert. Der Uferweg mündet in den Carl-Ossietzky-Park. Mit der Grünen Meile meint die Gruppe den Park inklusive dem davor liegenden Uferweg. In dem Park gibt es einen Basketballplatz mit Sitzbänken und kunstvollen Graffiti. Alle paar Minuten rauscht eine S-Bahn im Hintergrund über die innerstädtische Ost-West-Achse. Angekommen. Zeit für Basketball. Christoph Ewert zieht den Mantel aus und spurtet los in Richtung Basketballkorb.

Damals und heute
Zurück in der Turmstraße. Ein Angestellter eines Supermarkts ruft den FußgängerInnen Gemüsepreise zu. Eine Kollege von ihm gähnt. Ingeborg Meier schiebt an der Ecke zur Ottenburger Straße mit dem Fuß zwei Stücke Papier beiseite unter eine Auto. .* „So ein Dreck!”, sagt die 75-Jährige. Die schlanke Seniorin mit schwarzem Ledermantel lebt seit ihrer Kindheit an der Turmstraße. Die Gehsteige seien oft dreckig, da AnwohnerInnen Müll nicht ordentlich wegwerfen würden.

Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg geboren, erlebte Ingeborg Meier den Bombenalarm im Krieg. Sie erinnert sich an den Wiederaufbau der in Trümmern niederliegenden Straße. Die Turmstraße sei danach mit der Schlossstraße in Steglitz-Zehlendorf vergleichbar gewesen – eine beliebte Einkaufsstraße. Heute gäbe es in der Straße und ihrer Umgebung kaum mehr Kleidungsgeschäfte. Sie habe kein Schuhgeschäft mehr in ihrer Nähe. In der Turmstraße würden überwiegend Lebensmittel angeboten. „Nur für die Fresserei”, ärgert sie sich.

Von der Stadtheide zur Insel
Moabit hieß im Mittelalter einst Große Stadtheide. Erst im 18. Jahrhundert erhielt es als Kolonie von Berlin den Namen Moabit. Während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert erlebte Moabit einen sprunghaften Bevölkerungsanstieg. 1861 wurde Moabit in Berlin eingegliedert. Im Laufe der Zeit wurde Moabit eine künstliche Insel, von der Spree und Kanälen umgeben. Heute ist Moabit ein Ortsteil des Bezirks Mitte.

Um 18 Uhr läutet die Sankt-Paulus-Kirche an der Waldenser Straße den Abend ein. Ihr Dröhnen bringt Gespräche in den umliegenden Straßen zum Verstummen. Als das Läuten ausklingt, unterhalten sich drei langjährige AnwohnerInnen und ein Café-Inhaber über die veränderte Geschäftsstruktur in der Turmstraße. Sie zählen Geschäfte auf, die es nicht mehr gibt: Karstadt, Hertie, Woolworth, viele kleinere. Als Gründe machen sie in Rente gegangene InhaberInnen von Geschäften, den Abzug von Industrie aus Westberlin nach der Wende und fehlende Investitionen verantwortlich. Sind mehr Investitionen in die Turmstraße also positiv? Die Frage bleibt offen.

* Name von der Redaktion geändert

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