Wie auf einem Hinterhof…

Ein Streifzug durch das Viertel um den Arkonaplatz …

Das Viertel um den Arkonaplatz liegt im Nordosten des Bezirks Mitte. Seine Grenzen sind im Westen die Brunnenstraße, nordwestlich die Bernauer Straße, östlich die Schwedter Straße mit deren Bezirksgrenze zu Pankow sowie fließend die Straßen zwischen Arkonaplatz und Zionskirchplatz südlich.

„Kling Glöckchen, klingelingeling, kling Glöckcheen kling.” Pause. Remix: „Schneeweißchen, Weißröckchen, da kommst du geschneit …“, singt eine Mutter mit ihrer Tochter auf dem Arkonaplatz (15. Dezember). Sie hält die in Mütze und dicken Mantel eingepackte Kleine an der Hand. Sie überqueren den großen rechteckigen Arkonaplatz. Dabei passieren sie schaukelnden Arms den Spielplatz auf der westlichen Platzseite und verschwinden in der Dunkelheit. Es ist später Nachmittag.

Es ist später Nachmittag und längst dunkel. Und kalt. Die elektrischen Laternen alten Stils verströmen ein warmes Licht über den Platz, auf dem trotz Witterung mehrere Kinder mit Eltern am Rand der großen Sandfläche spielen: auf einer Kletterburg mit Halbtunnelrutsche, Wackelbrücken, Hüpfplatten, Karussellen und einer Sechseckschaukel mit Reifensitzen. Gleich nebenan liegt in einem alten, modernisierten Backsteinbau die Grundschule. Es brennt noch Licht … vielleicht finden gerade Elternabende oder Weihnachtsfeiern statt, wenige hundert Meter weiter brennt auch Licht. In unterschiedlichen Tönen und mit hunderten Menschen, die es dicht gedrängt nutzen: auf dem Lucia-Weihnachtsmarkt.

Der Markt auf dem Gelände der Kulturbrauerei, einem kommerziellen Veranstaltungsort, ist alljährlich der zentrale Weihnachtsmarkt für die umliegenden Straßenzüge. Hier gibt es warme Getränke, gebrannte Mandeln, ein paar Fahrgeschäfte für Kinder, Kunsthandwerk, warme Mützen und Ähnliches. Zwei Kinder fragen den Weihnachtsmann vor Ort die obligatorischen Fragen: Ist er echt? Wirklich? Der großgewachsene Mann mit weißem langen Bart: „Aber ja doch! Hier, ich bin lebendig! Das ist echtes Weihnachtsmann-Fleisch!” Er streckt seinen Arm vor. Am Nordpol sei es sehr, sehr kalt. Die Lichter des Weihnachtsmarkts verdunkeln sich schnell, wenige Meter vom ummäuerten Gelände der Kulturbrauerei entfernt.

Identität

Am nächsten Tag blickt eine junge Frau den Verkäufer des Getränkegeschäfts Getränke Hoffmann ungläubig an (16. Dezember). Ihre gewünschten Alkoholika seien wirklich nicht beziehbar, erzählt er ihr. Sie würden so sogar überhaupt nicht hergestellt, in Irland. Die Kundin verschränkt die Arme und schaut vor einen Moment vor sich hin, bevor sie geht. Eine andere Frau tritt ein. Die etwa 45-Jährige führt einen Windhund eng an der Leine und unterhält sich entspannt mit dem Verkäufer. Frage an die zwei: Wie heißt das Viertel um den Arkonaplatz? Arkonaviertel? Arkonakiez?

Der Verkäufer: Das wisse er nicht. Er kenne nicht viel mehr als den Weg zur U-Bahn und komme aus Marzahn-Hellersdorf, wo er sich sehr viel besser auskenne. Sie: „Arkonakiez sagt man nicht.” Arkonaviertel sage man auch nicht. Das sei halt der Arkonaplatz. Als offensichtlich zugezogene Berlinerin stelle die Autorin naive Fragen, so der Tenor. Der Urberliner lache insgeheim bei solchem Unwissen. Ein Berliner Neuling sage beispielsweise auch so was wie: „Treffen wir uns am Alex?”, statt: „Treffen wir uns am Alexanderplatz?” Oh, das wusste die Kiezreporterin nicht. Zwar kann sie an Ur- immerhin ein Urgroßelternteil aus den emigrierten 1960er-BerlinerInnen vorweisen. Dass sie sich bisher ihr Leben lang durch die Formulierung am Alex als Zugezogene kennzeichnete – wußte sie jedoch nicht – gut das einem so etwas mal gesagt wurde.

Draußen passieren Berliner-Innen den verkehrsberuhigten Platz aus unterschiedlichen Richtungen, zu Fuß, per Fahrrad oder außen herum per Auto. Vereinzelt liegt Laub auf der Straße. Auf dem Platz stehen viele Bäume, teilweise mit großen überirdischen Wurzeln. Wenige Geschäfte umgeben den Platz direkt und indirekt in den umliegenden Seitenstraßen.

Wende, Wandel und Wachstum

Das ist wie auf einem Hinterhof”, beschreibt ein Gastronom die alltägliche Atmosphäre vor Ort. Drumherum die Geschäftsstraßen Schönhauser Allee und Brunnenstraße sowie die vielbefahrene Bernauer Straße. Drinnen, im Viertel: Ruhe. Vor einer öffentlichen Toilette auf der südlichen Parkanlage hängt ein Vorhängeschloss. Das wird nur einmal die Woche abgenommen, wenn sonntags ein Flohmarkt stattfindet. Die unweit entfernten evangelischen Kirchen Segenskirche und Zionskirche läuten ab und zu. Eine DachdeckerIn hämmert auf einem der zahlreichen Altbauhäuser.

Die Verkäuferin der Bäckerei Machleidt in der Wollinerstraße 16 schaut sich vor ihrer Bäckerei um. Vormittag, keine Stoßzeit. Die langjährige Fachverkäuferin ist gleichzeitig langjährige Anwohnerin in dem Viertel. Seit Jahrzehnten lebt und arbeitet sie hier. Ihre Bäckerei ist noch eine der wenigen Bäckereien in Berlin, die alles selbst backen. Brot, Brötchen, Kuchen, Stollen, Plätzchen. Das Geschäft sei eines der wenigen, das überlebt habe. Vor und noch nach der Wende habe es um den Arkonaplatz viele kleine Geschäfte gegeben. Dann kamen mit der Wiedervereinigung unzählige Rückübertragungen. Viele HauseigentümerInnen mussten mit dem Ende der DDR ihre Häuser an die EigentümerInnen aus der Zeit vor der DDR zurückgeben. Die neuen, alten EigentümerInnen investierten häufig in Sanierungen. Die Folge waren steigende Mieten. Die Verkäuferin erzählt in gedämpfter Stimmlage: Viele Alteingesessene hätten aus dem damaligen gewachsenen Kiez wegziehen müssen. „Einen alten Baum versetzt man nicht!“, sagt sie wenig später.

Heute bestehe das Viertel überwiegend aus Zugezogenen. Viele junge Menschen, auch viele Familien mit Kindern darunter. Viele Eigentumswohnungen. Viel Anonymität. Ist das negativ? Nun, sie versuche nichtsdestotrotz zu bleiben. Die Lage sei zentral, sie habe eine gute Geschäfts- und Verkehrsanbindung. Hier sei sie aufgewachsen. Mit der Zeit könne etwas Neues wachsen. Wer weiß, vielleicht entwickelt sich um den Arkonaplatz im Laufe der Zeit (wieder) ein stärkeres Beieinander. Vielleicht auch nicht. Anonymität in einer Großstadt kann ja auch schön sein, da sie individuelle Lebenswege leichter ermöglicht.

(Artikelfoto: Naherholung: Der Arkonaplatz ist verkehrsberuhigt – viel Platz für FußgängerInnen |Foto: Tust)

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