Kampf um den Späti

Berliner Späti

Kampf um den Späti oder: Willkür statt neuer Regelung – ditt is‘ Berlin, wa?

18:34 Uhr. Ein Blick nach rechts, nach links, über die Schulter. Ein verhuschtes Klopfzeichen an der Tür neben den Fenstern mit den heruntergelassenen Rolläden. Zwei Schritte ins Halbdunkel. Ware in eine schwarze Tüte gepackt. Schneller Geldwechsel. Und raus!

Nein, es geht hier nicht um Drogendeals oder Amerika in der Prohibitionszeit. Wir befinden uns mitten in Neukölln und versuchen Sonntagabend in einem Späti einzukaufen.

Eigentlich hatte dieser – wie alle anderen im Kiez um die Weserstraße -auch sonntags auf. Bis vor kurzem plötzlich Ordnungsamt und Polizei in die kleinen, meist von Familien geführten Läden „einmarschierten“. Drastische Strafdrohungen von mehreren Tausend Euro wurden ausgesprochen.

Jetzt haben die Spätis zu. Oder öffnen ihren Stammkäufern illegal die verdunkelten Läden, um sie schnell mit dem Nötigsten zu versorgen. Dabei riskiert so mancher Späti-Betreiber aber seine Existenz. Denn: Streng genommen sind die Ordnungshüter natürlich im Recht. Spätis müssen sich wie alle anderen Geschäfte an die Gesetze halten – also auch an allgemeine Ladenöffnungszeiten. Ergo: Sonntag is‘ nicht. Allerdings herrscht in Berlin seit vielen Jahren eigentlich eine Art stille Duldung des Späti-Sonntagsverkaufs. Frei nach dem Motto: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Wer der Kläger in Neukölln sein könnte, befeuert die Gerüchteküche. So mancher Spätkauf-Besitzer vermutet eine Tankstelle einer großen Kette unweit des Rathauses als Verursacher der Kontrollorgie. Weil die Tanke keinen Umsatz mehr mache, habe man im Ordnungsamt Alarm gemacht. Andere wiederum erzählen, es gebe da einen Polizisten, der seine privaten Feldzug gegen Spätkäufe führe – und der arbeite eben im betroffenen Kiez rund um Weserstraße/Reuterplatz/Rathaus Neukölln. Wieder andere meinen, das Ordnungsamt habe neue Auflagen, mehr Gelder durch Strafen zu aquirieren. Wie dem auch sei: Für viele Spätis ist die Lage existenzbedrohend. Für die meisten Späti-Kunden ärgerlich. Hinzu kommt, dass das Problem hinlänglich bekannt ist. Spätestens seit 2012. Da hatte in Prenzlauer Berg ein Mann seinen Privatkrieg gegen die Spätkäufe seines Kiezes geführt. Die Medien nannten ihn “den Späti-Hasser von P-Berg”. Damals wurde politisch heiß debattiert, die Gesetzeslage der bestehenden Realität anzupassen – sprich Spätis die Sonntagsöffnung zu gestatten. Passiert ist … ja, richtig geraten … nichts!

So obliegt es der Willkür der zuständigen Kontrolleure (sofern keine Anzeigen vorliegen), zu bestimmen, welcher Späti sonntags auf hat und welcher nicht. Ditt is‘ Berlin, wa?

(Artikelfoto: Berliner “Späti”  – Foto: © Martijn van Exel • http://de.wikipedia.orghttp://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0https://flic.kr/p/7j2heq

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